»Mein Name ist Sebastian. Im Sommer 2018 wurde bei mir Lymphdrüsenkrebs – genauer gesagt Burkitt-Lymphom, Non-Hodgkin – im vierten Stadium diagnostiziert. Das bedeutet, dass die Krebszellen auch schon das Knochenmark und Blut angegriffen haben – man spricht dann von einer Leukämie.
Ich bekam mehrere Monate lang starke Chemotherapie und Antikörper und bin nun seit Frühjahr 2019 krebsfrei.
Speziell dank meiner Freundin und unseren beiden Kindern habe ich diese schwere Zeit stets optimistisch bleiben können – und freue mich über jeden weiteren Tag, den ich mit den dreien erleben darf.«
Übrigens: Sebastian engagiert sich in seiner Freizeit außerdem im @eisvogel_ev. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, Krebskämpfer:innen mit Lymphdrüsenkrebs und Leukämie zu unterstützen.
»Mein Name ist Sandra, ich bin 35 Jahre alt, komme aus dem schönen Frankenland, bin seit 15 Jahren verheiratet und Mama eines 12-jährigen Sohnes.
Meinen Knoten habe ich zufällig nach dem Duschen getastet – Mitte Mai 2019. Ich werde dieses Gefühl nie in meinem Leben vergessen: Ich stand im Bad, habe in den Spiegel geschaut und sah ein Gesicht der Leere. Ich wusste sofort, dass es nicht gut ist. Mir war schlecht, ich habe gezittert und versuchte mich zu sammeln. Ich dachte mir nur ›Shit, here we go‹.
Am selben Tag der Diagnose habe ich nachmittags mit dem Onkologen, der auch meine Mama behandelt, telefoniert. Nach der Besprechung meiner Person in der Tumorkonferenz stand der Plan dann fest. 4 x EC, 12 x Paclitaxel-Chemo, danach brusterhaltende Operation, Bestrahlung und Antihormontherapie. Alles klar, null Problemo!
Körperlich geht es mir jetzt ziemlich gut. Ein paar Nachwirkungen der Chemotherapie sind noch da und auch die Antihormontherapie geht nicht spurlos an einem vorüber. Ich versuche Geduld mit meinem Körper zu haben und ihm die Zeit zu geben, die er braucht, um sich zu erholen und sich an die neuen Umstände zu gewöhnen. Und das geht eben nicht von heute auf morgen. Ich habe jetzt mehr Sport in meinen Alltag eingebaut und ernährungstechnisch ein paar Dinge verändert. Krebs macht so viel mit einem Menschen, nicht nur körperlich. Psychisch ist es wie eine Achterbahnfahrt. Es ist ein Auf und Ab. Und auch das wird nicht von heute auf morgen verschwinden. Aber ich lasse mich nicht unterkriegen! Das Leben ist so lebenswert – auch mit einer solchen Diagnose.«
»Mein Name ist Anna, ich bin 26 Jahre alt und wurde im August 2019 mit akuter lymphatischer Leukämie diagnostiziert. Aufgrund eines Gendefekts – dem Philadelphia Chromosom – mussten mir nach Chemotherapie und Ganzkörperbestrahlung am 3. Dezember 2019 zusätzlich Stemmzellen eines Fremdspenders transplantiert werden. Nach langem Krankenhausaufenthalt und schweren Zeiten bin ich mittlerweile krebsfrei. Wenn ich zurückblicke, bin ich stolz auf alles, was ich geschafft habe und mir geht es jeden Tag ein bisschen besser.«
»Hallo du, ich heiße Mirjana und meine Freunde kennen mich unter Miri. Heute will ich dir meine Geschichte erzählen. Sie ist jetzt nicht besonders interessant oder einzigartig. Meine Motivation ist folgende: Ich will dir zeigen, dass Krebs nicht das Ende bedeuten muss. Wichtig: Im Oktober 2015 hatte ich einen Herzinfarkt und wurde wiederbelebt. Als Folge davon blieb Herzinsuffizienz. Wieso diese Geschichte bei meinem Krebs eine Rolle spielt, dazu mehr später. Jetzt will ich dir erzählen, wie das mit dem Krebs bei mir war bzw. ist.
Es war Mitte Juli 2021. Mir wurde gerade mein Rehageld entzogen und ich hatte diesbezüglich einen Gerichtsprozess am laufen. Zwischendurch machte ich mir Gedanken, ob ich für ein paar Tage in den Urlaub fahre bzw. wie ich das am besten anstelle, da ich einige Gutachten hatte. Bis ich eines Abends in der Dusche stand und beschloss, mich wieder mal abzutasten. Der Gedanke war nicht richtig zu Ende gedacht, und schon fand ich ihn. Den Knoten. Er saß zwischen vier und fünf, wenn man sich eine Uhr vorstellt. Meine Gedanken rasten, die zweite Brust wurde nur noch sporadisch abgetastet. Irgendwann, nach dem ich mit zwei Freundinnen schrieb und von dem Fund berichtete, war ich wieder entspannter und ging schlafen. Ich weiß heute noch, wie ich in der Nacht aufwachte und die Stelle tastete, in der Hoffnung, sie wäre verschwunden. Leider war sie das nicht. Wie der Zufall (oder auch Schicksal?) so will, hatte ich am nächsten Tag einen Termin in der hämatologischen Ambulanz. Da mich die Ärztin schon länger kennt, seit Ende 2015, antwortete ich auf die Frage, wie es mir geht, ziemlich offen: Na ja, gut, abgesehen davon, dass ich gestern Abend einen Knoten in meiner linken Brust fand. Sie fragte mich, wie ich weiter vorgehen werde. Ich sagte, ich überlege noch, an welchen Arzt ich mich wenden soll. Daraufhin organisierte sie, zusammen mit ihrer Assistentin, eine Mammografie für mich und schickte mich für zwei Stunden spazieren, bis der Befund da war. Wieder zurück, ging sie mit mir den Befund durch und vereinbarte schon davor einen Termin im Brustzentrum gleich für den nächsten Tag. Wie hilfreich das für mich war, versteht nur jemand der das Gleiche durchmachen musste.
Am nächsten Tag war ich dann im Brustzentrum und von da an ging alles ziemlich flott. Zehn Tage später wurde eine Biopsie gemacht und Anfang August stand die Diagnose Brustkrebs. Ich ›freundete‹ mich in der Zwischenzeit mit dem Gedanken an, dass es Krebs sein könnte. So sehr, dass meine Ärztin im Brustzentrum fragte, ob ich mit dieser Diagnose gerechnet hätte. Ich sagte, ich hoffte, dass es nicht ist, und wusste, dass es sein kann. Es folgten zwei Operationen, Antihormontherapie für einige Jahre und Strahlentherapie. Und was hat das Ganze jetzt mit meinem Herz zu tun? Wer lebt, kann (leider Gottes) krank werden und somit auch an Krebs erkranken. Und da die Wiederbelebung bei meinem Herzinfarkt glücklicherweise erfolgreich war, erkrankte ich auch. Andererseits: Wäre ich damals gestorben, hätte ich auch kein Krebs. Was zählt für mich mehr, die Erkrankung oder diese knapp sechs Jahre zusätzliches Leben dazwischen? Ich denke, diese Frage muss ich dir gar nicht beantworten. UND: Ich hatte riesiges Glück. So viel Glück, dass ich manchmal immer noch selbst darüber verwundert bin. Eine Chemotherapie war nicht nötig. Mein Krebs war ›faul‹ und wollte sich nicht teilen. Sonst weiß ich nicht, ob ich heute noch hier sitzen würde. Wir wissen alle, dass sie manchmal sehr ans Herz geht. Was das bei mir bedeuten würde, mag ich mir nicht ausmalen. Diese Herzerkrankung bringt mir noch einen ›Vorteil‹. Dadurch macht mir Krebs keine Angst. Diese Furcht vor dem Ende des eigenen Lebens habe ich schon hinter mir. Es ist mir bewusst, dass wir jederzeit überall an allem sterben können. Auch im Urlaub, wie ich im Oktober 2015. Oder unzählige andere Menschen, die am Morgen aufstehen, sich auf einen schönen Tag freuen und den Abend nicht mehr erleben. Deswegen zählt nur das, was ich heute habe. Was morgen, übermorgen, nächsten Monat, nächstes Jahr oder gar in 5 Jahren sein wird, interessiert mich nicht. Weil ich nicht weiß, ob ich dann noch da bin. Und deshalb erzähle ich dir hier meine Geschichte.
Carpe diem bedeutet für mich nicht, möglichst viele Sachen in einen Tag einzupacken, sondern lieber nur eine oder zwei, und sie aber bewusst erleben. Jede Sekunde, jede Minute, die vergeht, bekommen wir nie wieder. Ich lebe mein Leben 3.0 und jeder weitere Tag ist ein Nachschlag für mich. Wir können uns immer entscheiden, ob wir etwas negativ oder positiv sehen, und dabei meine ich nicht den obligaten Satz ›Du musst nur positiv denken, dann geht das‹. Ich kann diesen Satz echt nicht mehr hören. Was ich aber machen kann, ist dankbar zu sein, dafür, dass ich noch da bin. Es hätte anders sein können. Wenn vor knapp 8 Jahren etwas noch schiefer gegangen wäre, würde ich jetzt nicht hier sitzen und diesen Text tippen. Der Arzt, der mich wiederbelebte, einige Stunden später an meinem Bett stand und nur ›Es war sehr, sehr knapp, wir schaffen es nicht immer, bei Ihnen haben wir es geschafft‹ sagte, lebt leider nicht mehr. Etwa ein Jahr später verlor er sein Leben bei einem Autounfall als er von seinem Dienst nach Hause fuhr. Nur, daran denken wir nicht, wenn wir aus dem Haus gehen, oder? Was die Zukunft für mich bringt, will ich gar nicht wissen. Ob schlecht (Gott behüte) oder gut (immer her damit!), es wird so sein wie es ist. Ich vertraue an die Wissenschaft, und hoffe nur das Beste. Für dich, für mich, für uns alle. Meine Erlebnisse verarbeite ich so, dass ich offen damit umgehe. Darüber zu schreiben, ob Instagram oder Blog bei Influencer, befreit mich sehr.
Ich mache beides aus zwei Gründen:
In der Zwischenzeit genieße ich diesen Zusammenhalt, die Verbundenheit, das Verständnis, die Freundschaften und all die anderen schönen Erlebnisse, die es zwischen uns, an Krebs erkrankten Menschen, gibt. Und das ist, was zählt. Ganz liebe Grüße Miri«
»Hallo, ich bin Britta 54 Jahre alt, Arzthelferin von Beruf, bin verheiratet und komme aus Schleswig-Holstein. Meine erste Erkrankung bekam ich als ich 24 Jahre alt war. Ich war gerade ein Jahr verheiratet, wir wollten ein Baby bekommen, stattdessen bekam ich Krebs. Es fing mit Knochenschmerzen an den unterschiedlichsten Stellen an, außerdem litt ich unter extremen Nachtschweiß, der auch bald tagsüber da war. Eines Morgens wollte ich aufstehen und sackte weg, die Beine versagten. Ich war bei unterschiedlichen Ärzten, der eine meinte es wären Blähungen, der andere Ischias, der Hausarzt gab mir eine Spritze. Zu Hause wurde es wieder schlimmer, der Hausarzt meinte, ich solle mich nicht so anstellen, rief aber den Krankenwagen. Ich landete auf der Orthopädie, wieder folgten viele Untersuchungen, letztendlich ein Ganzkörper – MRT. Nach dieser Untersuchung kam ein neuer Arzt zu mir und meinte, dort wäre ich falsch, er würde mich zu sich auf seine Station holen. Ich landete auf der Onkologie. Nach der Sternalpunktion stand fest: Ich hatte akute myeloische Leukämie, brauchte dringend eine Stammzelltransplantation. Auf einen Spender musste ich nicht warten, sie war da – meine eineiige Zwillingsschwester! Zuerst gab es vier unterschiedliche Chemoblöcke, schon unter der ersten Therapie verlor ich meine Haare, das war ganz schlimm für mich. Ebenso richtig schlimm war das eingesperrt sein im isolierten Einzelzimmer, ich hatte fürchterlich Heimweh. Dann ging es in die Uniklinik nach Kiel zur Transplantation. Hoch-Isolation! Um 09:00 Uhr bekam ich die Konsilidierungstherapie (Zerstörung des Knochenmarks) seit 10:00 Uhr bis abends 23:00 Uhr musste ich mich übergeben. Tags darauf bekam ich die Stammzellen meiner Schwester. Schon nach einer Woche produzierte das neue Knochenmark Blutzellen. Ich kam wieder in meinem Leben an.
17 Jahre später erkrankte ich an der Vorstufe von Brustkrebs DCIS. Da meine Zwillingsschwester zu dem Zeitpunkt metastasierten Brustkrebs hatte, wollte ich die Ablatio beidseitig. Ich habe viele Gespräche führen müssen, dann hat man es endlich gemacht. Aus dem Krankenhaus raus begleitete ich meine Schwester bis zu ihrem Tod. Sie starb im März, im September hatte ich axilläre Lymphknotenmetastasen. Wieder OP, dann zwei Zyklen FEC (mehr Epirubicin ging nicht, da ich zur Leukämie schon was bekommen hatte und es schwer toxisch fürs Herz ist) danach sechsmal Paclitaxol. Mein Onkologe meinte später, es war schon ein bisschen ein Wunder, dass ich das geschafft habe mit dem vorgeschädigten Knochenmark. In der anschließenden AHB hatte ich dann etwas Zeit, um den Tod meiner Zwillingsschwester zu verarbeiten. Vor zwei Jahren, im April 2021, erkrankte ich an einem Zungengrundkarzinom. Es begann mit Halsschmerzen, als ich meinen Speichel nicht mehr schlucken konnte, ging ich zum HNO-Arzt. Der überwies mich direkt an die Uniklinik. Nach der ersten Probeentnahme in Narkose stand fest: Plattenepithelkarzinom. Im Juni wurde ich operiert: ein Teil der Zunge wurde entfernt und durch eine Plastik des Muskulus Sternokleidomastoideus (Halsmuskel) ersetzt. Außerdem wurden rundherum die Lymphknoten entfernt (Neckdissektion alle Level). Ich wachte auf, mit Luftröhrenschnitt und Nasensonde. Eine Woche konnte ich nicht sprechen, dann wurde das Tracheostoma durch ein Tracheosafe ersetzt, was mir ermöglichte zu sprechen und Suppe zu essen. Man legte mir eine Magensonde (PEG) für die bevorstehende Bestrahlungszeit. Nach 28 Bestrahlungen hatte ich Verbrennungen 2. Grades, Bläschenbildung, zerstörte Mundschleimhaut und die Stimme war wieder weg. Im Januar des folgenden Jahre konnte ich dann endlich wieder etwas essen, ganz langsam ging es wieder bergauf. Geblieben sind Mundtrockenheit, Schluckbeschwerden, Geschmacksverlust und Zungenbrennen. Die Reha im Mai 2022 hat mir nochmals gutgetan, trotzdem wurde ich berentet. Seit Juni 2022 durfte ich die Frau meines damaligen Chefs palliativ bei Glioblastom Grad 4 begleiten. Im Februar 2023 machte sie sich auf den Weg, meine Hand haltend. Langsam beginne ich wieder nach vorn zu schauen, trotz der Einschränkungen, die die letzte Erkrankung mit sich bringt. Im September wollen mein Mann und ich nach drei Jahren wieder Urlaub machen! Es geht an den Bodensee und dort feiern wir: 30 Jahre verheiratet und 29, 17 und 2 Jahre überlebt!«