»Wenn ich an meine eigene Krebserkrankung im Jahr 2022 und den steinigen Weg zurück in den Alltag ›nach dem Krebs‹ zurückdenke, fallen mir viele Momente ein, die mich bis heute prägen. Die meisten davon sind – wer hätte es gedacht – negativ. Doch heute möchte ich eine gute Erinnerung teilen.
Es war Mitte August 2022. Ich war seit wenigen Tagen offiziell krebsfrei und hatte gerade meinen 24. Geburtstag gefeiert. Also dachte ich, die Zeit sei gekommen, um die erste größere Reise anzutreten. Und zwar alleine. Monatelang hatte ich während meinen stationären Krankenhausaufenthalten davon geträumt, einfach weit wegfahren zu können – ohne daran zu denken, wann die nächste Therapie beginnt und ob sicherheitshalber ein Krankenhaus in der Nähe ist. Ich wollte mich endlich wieder frei und ungebunden fühlen – und vor allem spontan sein.
Also nahm ich ein Fotoshooting des Vereins ›recover your smile‹ zum Anlass, um aus meiner Heimat in Thüringen über Nürnberg nach München zu fahren. Ich war von meinem Plan begeistert, meine Eltern hingegen nicht. Ich sei noch zu schwach und würde die Anstrengungen eines solchen Solotrips unterschätzen. Schließlich machten wir einen Kompromiss: Mein Bruder sollte mich begleiten und ein wenig auf mich aufpassen.
Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als wir uns am Bahnhof verabschiedeten und in den Zug stiegen. Ich hatte plötzlich große Angst. Die letzten Monate war ich permanent auf die Hilfe meiner Eltern angewiesen gewesen, hatte mich überall hinfahren lassen und nur selten die Kraft für einen Spaziergang gehabt. Jetzt saß ich in einem überfüllten Zug Richtung Süden und musste die nächsten Tage mehr oder weniger allein zurechtkommen. Und so langsam sah ich ein, dass ich mich und meine Kräfte überschätzt hatte. In meinem damaligen Zustand war das Reisen in unbekannte Städte verdammt überfordernd. Sowohl Nürnberg als auch München mit ihren Touristenmassen strengten mich enorm an und ich verbrachte viel Zeit im Hotel, um mich auszuruhen. Umso schöner war dafür das Shooting von ›recover your smile‹. Ich lernte andere Krebspatient:innen kennen und fühlte mich im Kreise meiner Leidensgefährt:innen sofort wohl. Wir verbrachten tolle Stunden miteinander und hatten während der Fotosessions eine Menge Spaß.
Als ich am nächsten Tag wieder im Zug Richtung Heimat saß, war ich unglaublich stolz auf mich. Ich hatte mir einen meiner vielen ›Bucket-List-Wünsche‹ erfüllt – und es lebend zurück nach Hause geschafft. 😌
Diese erste Reise nach überstandener Chemotherapie war für mich einer von vielen Schritten zurück in einen selbstbestimmten Alltag. Einen Alltag ohne Krebs. Wenn ich heute in meiner Wahlheimat Berlin in den ICE steige, denke ich manchmal noch an diese Reise zurück – und bin froh, dass ich mich damals so schnell wieder aus der Komfortzone bewegt, mich in die (für mich damals) weite Welt hinausgewagt und meine Ängste überwunden habe. Es hat sich gelohnt. 💜«