»Ich wurde im Mai 2022 mit einem Hodgkin-Lymphom diagnostiziert und musste deshalb einen Großteil des Sommers 2022 im Krankenhaus verbringen. Obwohl ich auf viel Unterstützung von außen zählen konnte, fühlte ich mich dort sehr allein. Durch die Nebenwirkungen der Chemotherapie war ich schlapp, hatte Schmerzen und konnte mich kaum über einen längeren Zeitraum auf etwas konzentrieren. Manchmal hatte ich richtige Schwierigkeiten damit, gedanklich im Hier und Jetzt zu bleiben. Ich wusste nicht mehr, wo ich war, und driftete einfach in den Tunnel aus Schmerz und Leid ab.
Zum Glück gab es in der Klinik zwei wahnsinnig kompetente Psychoonkologinnen, die schnell erfassten, dass ich Unterstützung brauchte, um mental wieder zu Kräften zu kommen. Beinahe täglich kam eine der Psychologinnen zu mir. Wir machten gemeinsam Atem- und Konzentrationsübungen und suchten nach Möglichkeiten, mir meinen Krankenhausalltag zu erleichtern. Eine enorme Kraftquelle war für mich schon immer die Musik. Ich spiele Klavier, habe lange im Chor gesungen und schon als Kind in kleinen Musicals in der Musikschule mitgespielt. Durch meine körperlich schlechte Verfassung und die allgemein gedrückte Stimmung auf der onkologischen Station, wäre ich von alleine aber nie auf die Idee gekommen, musicalmäßig in meinem Krankenhausbett ein Liedchen zu trällern. Tatsächlich war es aber genau das, was letztlich verhindert hat, dass ich in meinem Tunnel aus Schmerz und Leid versunken bin. Eine der Psychologinnen brachte mir kurzerhand ein Keyboard auf mein Krankenhauszimmer. Es war ein älteres Modell und sicherlich klangen die ersten Songs, an denen ich mich versuchte, fürchterlich schief. Aber ich entdeckte, dass meine Stimme trotz angegriffenem Körper und Geist noch immer funktionierte. Sie war sogar erstaunlich laut und kräftig. Da meine Leukozyten sehr niedrig waren, musste ich den Anfang meines Krankenhausaufenthalts ohnehin in Umkehrisolation verbringen. Das heißt, dass ich keine Zimmernachbarinnen hatte, die sich an meinem Gesang hätten stören können.
Doch auch als ich aus der Isolation entlassen und in ein Dreibettzimmer verlegt wurde, durfte ich weiterhin musizieren. Meine Nachbarinnen freuten sich über die Gesangseinlagen und meine Lieblingskrankenschwester kam ebenfalls regelmäßig zu meinen kleinen Konzerten vorbei. In meiner Vorstellung wippten alle Patentinnen und Patienten auf der Station zu Nina Hagens »Du hast den Farbfilm vergessen« mit, wenn ich sang. Körperlich war das Singen und Spielen nach zwei bis drei Liedern meistens ein wenig anstrengend, aber ich fühlte mich dabei mental unglaublich gut. Wenn mir die Puste ausging, hörte ich einfach mit meinen Kopfhörern noch ein paar Songs und überlegte, was ich als nächstes auf dem Keyboard lernen könnte. So habe ich in der Musik einen Anker für mich gefunden, der mich immer wieder erdet, wenn ich dabei bin, mich selbst zu verlieren.
Hast du auch ein ganz besonderes Lied, das dir auch in schlechten Zeiten immer wieder auf die Beine hilft? Bei mir war es »The winner takes it all« von ABBA. Dabei betrachte ich mich als die Gewinnerin und meinen Krebs als den Verlierer!«