Erfahrungsbericht: Prophylaktische Brustabnahme

Eine verwirrte junge Frau hält eine Hand schützend vor ihre Brust.
Info
Gefühle & Achtsamkeit
»Die Augen der Ärzt:innen werden jedes Mal größer und größer, je länger die Liste der von Krebs betroffenen Familienmitglieder wird. Ein Blick auf unseren Stammbaum zeigt das zerstörerische Ausmaß des BRCA-Gens – aber auch die Resilienz und Stärke meiner Familie. Beides führte letztlich dazu, dass ich mich in diesem Jahr für eine prophylaktische beidseitige Mastektomie mit Rekonstruktion entschieden habe.«

»Aber fangen wir von vorne an: Ich war 27, als ich erfuhr, dass ich das Brustkrebs-Gen BRCA1 habe. Seitdem lastete die Frage auf meinen Schultern, was ich mit diesem Wissen machen würde. Plötzlich schien lediglich Vorsorge nicht mehr zu reichen, man müsse mehr machen, radikaler vorgehen. »Sie wollen doch nicht krank werden«, hieß es jedes Mal. Natürlich nicht. Dennoch wehrte ich mich jahrelang gegen einen Eingriff. Nicht, weil ich die medizinische Notwendigkeit darin nicht sah, sondern weil die Entscheidung einfach derart gewaltig war.

Der Gedanke, in meinen doch noch gesunden Körper zu schneiden, war mir unvorstellbar. Dazu kam noch, dass ich vorher noch nie operiert wurde, überhaupt noch nie im Krankenhaus war. Vielleicht bin ich die Ausnahme, vielleicht geht der Kelch an mir vorüber? Schließlich liegt die Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu erkranken, bei Gen-Träger:innen bei etwa 85 Prozent. Vielleicht gehörte ich ja zu den 15 Prozent?!

Als nun aber auch die letzte Person in meiner unmittelbaren Familie eine Krebsdiagnose erhielt, war meine Entscheidung von einem Moment auf den nächsten gefallen. Ich scherze gerne, dass ich das Bingo nicht vollmachen wollte, aber tatsächlich wurde das Gefühl, als Nächstes ins Fadenkreuz zu geraten, unerträglich.

Im Juli dieses Jahres ließ ich mir daher die Brüste entfernen. Aufgrund der Größe meiner Oberweite wurde mir von mehreren Ärzt:innen zur Rekonstruktion mit Implantaten geraten. Ich selbst war mit dem Wunsch, Eigengewebe zu benutzen, ins Gespräch gegangen, da mir beim Gedanken an Fremdkörpern im eigenen Körper unwohl war; nun hieß es also erneut umdenken, umentscheiden, um-fühlen. Ich entschied mich schlussendlich für eine OP, deren Methode das Brustgewebe nicht 1:1 durch Implantate ersetzt, sondern die Brüste etwas verkleinert, heißt strafft. Aufgrund der Schwere der Implantate bin ich jeden Tag aufs Neue froh über diese Entscheidung. Sie bedeutete aber auch auffälligere Narben, womit ich jedoch überraschend gut klarkomme. Ich selbst verbinde meine Sexualität und mein Gefühl von Weiblichkeit (im Wesentlichen) nicht mit meinen Brüsten, was es mir einfacher macht, das Gefühl in ihnen teilweise verloren zu haben.

Es überraschte mich selbst am meisten, wie schnell ich nach der OP wieder auf den Beinen und wie wenig meine Beweglichkeit eingeschränkt war. Auch dies bestätigte mir, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, diesen Schritt mit 34 und ohne Vorerkrankung zu wagen. Ein, zwei Jahrzehnte später und/oder nach einer Erkrankung hätte der Heilungsprozess ganz anders aussehen können.

Doch auch für mich lief es nicht problemlos. Aufgrund von Wundheilungsstörungen musste ich drei Wochen später erneut operiert werden – eine erneute Hürde, die mich mental um ein Vielfaches mehr mitnahm als die erste OP, nahm sie mir doch mein Urvertrauen, dass schon alles gut werden würde. Zum Glück hat sich sowohl meine körperliche als auch mentale Gesundheit seitdem verbessert.

Drei Monate später gibt es Tage, wo ich streckenweise vergesse, dass ich überhaupt eine OP hatte, so natürlich ist mein Körpergefühl inzwischen. Dann gibt es wieder Tage, wo die Narben ziepen, die Implantate drücken, die Brüste einfach nicht »meine« sind.

Und doch bin ich auch für diese Tage dankbar, denn auch wenn mein Risiko nach diesem radikalen Eingriff nicht bei 0 Prozent liegt, sitzt mir doch nicht mehr das Gefühl im Nacken, eine tickende Zeitbombe zu sein. Ich fühle mich frei.«

Pathly LogoPlatzhalter Bild
Marie trägt einen Zopf und eine weiße Bluse.Platzhalter Bild
Autor:in
Helfer:in
Designer:in
Marie Warskulat
Datum
22.10.2024

Du hast Lust auf noch mehr Infos?
Schau dir hier unsere Quellen an.

Das könnte dir auch gefallen!

Eine junge Frau sitz neben einer Batterie mit Stromsymbol
Gefühle & Achtsamkeit
Deine Energiebilanz
Eine Frau in einem weißen T-Shirt mit dunklen Haaren jongliert mit verschiedenen Sorten Gemüse wie Karotten, Kohl und Tomaten.
Ernährung
Vom Muffel zum Fan – So schaffst du es, mehr Gemüse zu essen
zwei Männer mit Schnurrbart sitzen entspannt auf dem Boden, neben ihnen ist eine Pille und ein Bildschirm mit Vitalwerten abgebildet
Alltag
Movember: Schnurrbart als Symbol für Männergesundheit
Verschiedene Brustformen zu einem Muster gefügt.
Zahlen & Fakten
Gutartige Brustveränderungen
Eine Frau posiert in einer starken Haltung, vor ihr liegt Gemüse und eine handvoll Nüsse.
Ernährung
Herbstzeit ist Erkältungszeit – Iss dich abwehrstark
Ein Mikroskop steht neben Reagenzgläsern mit Flüssigkeit.
Zahlen & Fakten
Brustkrebs ist nicht immer gleich Brustkrebs
Ein Teller mit Lachs und einer Zitrone. Daneben ist eine rosa Krebsschleife zu sehen.
Ernährung
Ernährung bei hormonabhängigem Brustkrebs
Eine Frau hat beide Hände auf ihre Brüste gelegt.
Gefühle & Achtsamkeit
Radikal aber richtig? Neue Brüste aus Eigengewebe
Eine leere Klopapierrolle steht mittig, drumherum sind traurige Emojis.
Ernährung
Alarm im Darm – Tipps, wenn dein Stuhl zu weich ist
Ein gefüllter Chemobeutel und eine begonnene Checkliste zusammen mit Blutproben sind zu sehen.
Zahlen & Fakten
Chemotherapie ist kein Einheitsbrei
Eine Weltkugel wird von einer hellgrünen Krebsschleife umschlungen, über der Schleife schwebt ein Kalender mit dem Kalendertag 15. September.
Zahlen & Fakten
Welt-Lymphom-Tag
liegende Frau mit pinkem Body mit einem Hellen Hautkrebs am Bein, der durch eine Lupe gezeigt wird - daneben eine dunkelgraue Krebsschleife
Alltag
Europäischer Tag des Hellen Hautkrebses
Eine Lupe vergrößert einen DNA Strang, um diesen auf Mutationen zu untersuchen.
Zahlen & Fakten
Wie funktioniert eigentlich Tumortestung?
Eine Beraterin klärt über das Thema Krebs auf. Sie sitzt vor einem Notebook und eine Sprechblase mit einer Krebsschleife ist zu sehen.
Dokumente & Soziales
Krebsberatungsstellen für Patient:innen und Angehörige
Eine Ernährungsberaterin sitzt auf einem Apfel und verweist auf ihr Clipboard. Daneben stehen ein Glas Wasser, eine Banane und Rosenkohl.
Ernährung
Dein Recht auf Ernährungsberatung bei Krebs
Ein junger Mann liegt auf einer Liege für die Computertomografie
Gefühle & Achtsamkeit
Tipps für das erste CT nach der Therapie
Illustration eines rosa Sparschweinchens

Hilf uns beim Helfen! Mit deiner Spende.

Damit wir auch zukünftig weiter tolle Tipps, Tricks und Infos für das Leben mit Krebs weitergeben können, sind wir auf deine Spende angewiesen.

Hilf uns beim Helfen! Mit deiner Spende.

Logo PayPal.
Mit PayPal spenden
Logo Betterplace.
Mit Betterplace spenden

Per Überweisung

IBAN DE11 8306 5408 0004 2983 06
BIC GENODEF1SLR
Bank Deutsche Skatbank
IBAN kopieren