»Hallo, ich bin (A)Lex, Gründer des Instagramprofils: @DieGeschichteMitDemKrebs, komme aus Oberfranken, bin zum Zeitpunkt des Interviews 46 Jahre und habe im September 2020 erfahren, dass ich einen Tumor links am Hals habe. Keine zwei Wochen später wurde ich operiert (LK-Exzision und extrakapsuläre Parotidektomie links). Dabei wurde der Tumor (der sich dann als Metastase herausstellte) entfernt, sowie die Speicheldrüse und mehrere Lymphknoten. Einen Tag später dann der Befund: p16 positives Plattenepithelkarzinom. KREBS!
Ich war zum Zeitpunkt der Diagnose 44 Jahre alt, genau das Alter, in dem mein Vater an Krebs verstarb. Der Krebs bei ihm war allerdings so weit fortgeschritten, dass man nicht mehr sagen konnte, welche Form von Krebs es ursprünglich war. So sagte man uns das zumindest.
Obwohl ich an einer generalisierten Angststörung inklusive Depressionen litt (leide), musste ich mich entscheiden, wie es nun weitergehen soll. Ich habe mich fürs Leben entschieden und alles Notwendige über mich ergehen lassen.
Unzählige Untersuchungen, zwei weitere OPs, 34 Lymphknoten weniger, Entfernen der Tonsillen, 33 Bestrahlungen, viel Zeit im Krankenhaus und bei Ärzten.
Am 03. Februar 2021, mit 12 Kilo weniger auf den Rippen und einem ekelhaften Geschmackssinn, habe ich meine letzte Bestrahlung hinter mich gebracht. Und befinde mich seitdem in Remission. Was blieb, ist ein Cup Syndrom (Krebserkrankung mit unbekanntem Primärtumor), ein trockener Mund zwecks fehlender Mundschleimhaut, hin und wieder Krämpfe im Halsbereich und Fatigue Stufe zwei.
Wie sah mein Leben vor der Diagnose aus?
Durch meine Angststörung und Depression (Auslöser war übrigens der Tod meines Vaters) habe ich recht isoliert gelebt, was unter anderem bedeutet, dass ich schon über 20 Jahre nicht mehr im Urlaub war, auch meiner Leidenschaft als DJ bin ich nicht mehr nachgegangen, wenig soziale Kontakte und kaum Unternehmungen.
Meine Hobbys, wie Musik machen, Grafik, Videobearbeitung, Fotos schießen, haben mich wenigstens weiterhin kreativ bleiben lassen. Für mich waren Arztbesuche durch diese Angstgeschichte richtig anstrengend, aber als die Schwellung am Hals nicht selbstständig zurückging, musste ich es untersuchen lassen. Zuerst war ich beim Zahnarzt, doch da vermutete man gleich, dass es eher nicht von da kommt. Zweiter Anlauf HNO. Nur war es zu jener Zeit recht schwer mit Terminen, denn gerade da brach die Pandemie aus.
Trotz der Umstände ging alles doch recht zügig und ohne Verschiebungen. Nach der Diagnose wurde ich ernst und vor allem wahrgenommen. Was im Verlauf meiner vorherigen Krankheitsgeschichte leider nicht immer so war.
Was hat mich motiviert? Ganz klar meine Mutter. Sie hat durch Verluste in der Familie schon so viel durchmachen müssen, dass ich mir immer wieder gesagt habe: ›DU SCHAFFST DAS!‹, ›DAS TUST DU DEINER MUTTER JETZT NICHT AN!‹. Auch der Rückhalt meiner Mutter hat mir ganz viel Kraft gegeben, sowie der meiner damaligen Freundin und meiner Verwandtschaft. Ich habe angefangen mich viel mit dem Thema Krebs zu beschäftigen und natürlich war auch ich damit überfordert. Immer kam das Thema Schulmedizin und Alternativmedizin auf. Irgendwann verliert man den Überblick und weiß nicht mehr, was das Beste für einen selbst sein kann. So habe ich dann den Weg in die Sozialen Medien gefunden und mit meiner Seite ›DieGeschichteMitDemKrebs‹ auf Facebook und Instagram begonnen. In erster Linie, um mir diese Last meiner Erfahrungen von der Seele zu schreiben, aber auch, um vielleicht Menschen mit ähnlichen Erlebnissen zu erreichen. Und genau das passierte. Der Austausch war super wichtig, ebenso das Gefühl, nicht allein zu sein. Ich spürte Verständnis, Anteilnahme, aber auch Freude und Motivation. Genau diese Mischung habe ich gebraucht.
Ich habe dann wieder mit der Fotografie angefangen, habe mir den Hund geschnappt und bin in den Wald. Habe wieder Freude an der Arbeit mit Fotos, Videos und Musik gefunden.
Doch auch den Weg zu Gott habe ich gesucht und wieder für mich entdeckt. Nicht, dass ich jeden Sonntag in der Kirche saß, aber das Beschäftigen mit der Religion hat mir ebenso Kraft gegeben.
Der Kampf und der Umgang sind nicht immer leicht. Es gibt immer wieder auch Täler, die man befahren muss, um auf den Berg zu kommen. Der Körper, aber auch die Psyche verändert sich durch diese Erfahrung. Durch die fehlende Mundschleimhaut brauche ich nun immer eine Flasche Wasser beim Essen, durch Fatigue bin ich plötzlich super erschöpft und brauche meine Ruhephasen. Ein Zwicken oder Stechen im Körper löst sofort Alarm aus und du denkst immer an das eine: KREBS. Die Nachsorge kostet viel Kraft und Anspannung.
Also versuche ich dagegen zu wirken. Sage mir, dass Flüssigkeit eh wichtig für den Körper ist. Ich gebe mir Zeit. Wenn mein Körper sagt, er ist gerade auf Sparflamme, gebe ich ihm Ruhe, um auch wieder Energie zu tanken. Ich bin froh, dass wir die Möglichkeit zur Nachsorge haben, auch wenn sie Kraft und Nerven kostet. Und auch wenn mich die Diagnose geprägt hat, so hat sie auch Gutes, denn sie hat mich gelehrt, wieder mehr auf mich zu achten und das Leben zu schätzen. Ich nehme dieses heute viel mehr wahr, erfreue mich an kleinen Dingen und habe die Sache mit der Angst und den Depressionen besser in den Griff bekommen denn je. Um das alles aufrecht zu halten, habe ich mich gleich nach der Bestrahlung um einen Therapieplatz bemüht. Und genau das brauche ich auch, es tut mir gut. Ich kann Sachen ansprechen, für die ich sonst keinen Gesprächspartner finde, und ich kann Dinge aus verschiedenen Perspektiven sehen und Lösungswege schaffen.
Fazit: Krebs ist Scheiße, ohne Zweifel. Aber er hat mir neue Wege geebnet. Wir müssen aufhören zu glauben, man wäre unsterblich, denn erst dann lernen wir auch wieder zu leben. Die Medizin ist heute zum Glück weit und es gibt viele Wege und Lösungen, deswegen muss Krebs nicht gleich den Tod bedeuten. Das habe ich mir immer gesagt und es hat mich in schlimmen Phasen beruhigt. Denn ich bin überzeugt, dass auch die innere Einstellung zur Heilung beiträgt. Ich hoffe, dass ich ein wenig beitragen kann, dass jeder Krebspatient oder Angehörige Mut schöpft, man sich nicht aufgibt und sich sagt: ›Jeder schlechte Tag hat auch ein Ende‹. Dass man sich jegliche Hilfe sucht, um ebenso wie ich zu erkennen, dass man nicht allein ist, das Leben wertschätzt und sich auch mal belohnt für all das, was man in jener Zeit leistet und durchmacht. Das wäre mir eine Freude. In diesem Sinne, alles Gute für euch. Euer (A)Lex«