»Ich heiße Daniela, bin 38 und im August 2021 habe ich die Diagnose Plattenepithelkarzinom an der Schleimhaut meiner Unterlippe erhalten. Daraufhin wurde mir ein großer Teil meiner Unterlippe entfernt und eine Lappenplastik verpasst. Das heißt, ich habe nun Narben von den Nasenflügeln bis runter zum Kinn.
Diese Diagnose ist für mein Alter sehr ungewöhnlich. Alles fing mit einem nervigen Atherom am Kinn an. Dass ich darauf bestanden habe, den Befund in die Pathologie zu geben, verdanke ich meiner Tante. Die ganze Familie meines Vaters hatte Krebs. Darmkrebs, Gebärmutterkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Prostatakrebs, Hautkrebs etc ... Meine Tante hat sich darauf hin humangenetisch beraten lassen und man fand heraus, dass wir das Lynch-Syndrom haben. Ein Gendefekt, wodurch die Reparatur-Gene nicht so funktionieren wie beim Otto-Normal-Verbraucher. Dadurch kommt es vermehrt zu Krebs, auch in jungen Jahren. Dieses Wissen hat mir quasi den Rest meiner Lippe gerettet und wer weiß was noch. Es war zwar anfangs nur ein Atherom, aber dahinter hat sich Krebs versteckt.
Man hat in meinem Tumor auch Merkmale gefunden, die darauf hindeuten, dass er durch den Ausfall bestimmter Reparatur-Gene entstanden ist. Das sind sogenannte Satelliten-Instabilitäten. Solche Tumore wachsen sehr schnell, reagieren aber beispielsweise besser auf Immuntherapie als auf Chemo.
Da wir diesen Defekt in der Familie haben, sollen wir öfter und früher zur Krebsvorsorge, als normal angedacht: Beispielsweise gehen wir bereits unter 50 alle ein bis zwei Jahre zur Darm- und Magenspieglung.
Das Lynch-Syndrom ist in Deutschland sehr unbekannt. Wenige Leute wurden damit diagnostiziert, aber die Dunkelziffer wird ein gutes Stück hoher geschätzt. Viele Menschen kennen ihr Risiko nicht und haben daher nicht die Chance, früh an Vorsorgen teilzunehmen und Krebs in frühen Stufen zu entdecken. Denn welcher Arzt denkt bei einem 30-Jährigen direkt an Darmkrebs, wenn er über Bauchschmerzen klagt?
Über das Lynch-Syndrom möchte ich informieren und ein Bewusstsein schaffen. Ich möchte aber auch Menschen Mut machen, die Narben mit sich tragen – aus welchem Grund auch immer. Auf Instagram mache ich das auf meinem Account @fraupis_repariert. Mit meiner Geschichte möchte ich anderen Mut machen, aber auch mir selbst.«