»Inmitten von Babybauchromantik ertastete ich eines Abends beim Duschen einen Knoten in meiner linken Brust. Natürlich dachte ich nicht im Geringsten daran, dass dieser Knubbel lebensgefährlich sein könnte. Gerade während einer Schwangerschaft verändert sich ja so einiges, sodass mich das nicht sonderlich verwunderte. Dennoch sprach ich es bei meinem Mann an und er war derjenige, der mich dazu bewegte es lieber abklären zu lassen.
Am Folgetag fand ich mich bei meinem damaligen Gynäkologen wieder, der mich in meiner Vermutung bestärkte und es auf die Schwangerschaft schob. Alle zwei Wochen wurde kontrolliert. Mit der Zeit änderte sich der Befund von gereizten Milchdrüsen zur Zyste, zum Fibroadenom und seine Unsicherheit verunsicherte auch mich zunehmend. Also bat ich ihn, mir endlich eine Überweisung für eine Zweitmeinung auszustellen – von allein kam er leider nicht darauf.
Sehr schnell bekam ich einen Termin im Brustzentrum des städtischen Klinikums. Schon beim Ultraschall sah ich der Oberärztin an, dass sie gar nicht gut fand, was sich ihr offenbarte. Sie betonte die Wichtigkeit einer Biopsie, auch wenn das in der Schwangerschaft ungünstig war. Ab da hatte ich ein richtig ungutes Gefühl. Schon drei Tage später, an einem Freitag, pünktlich zum Feierabend ins Wochenende, klingelte auf der Arbeit das Telefon. Ich wurde ins Krankenhaus bestellt. Mein Mann begleitete mich dorthin. Immer wieder pressten wir unsere Hände fest ineinander. Die Anspannung war kaum zu ertragen. Im Krankenhaus mussten wir nicht lange warten. Die Befundbesprechung veränderte alles. Für einen Augenblick dachte ich, das ungeborene Baby und ich müssen sterben und mein knapp dreijähriger Sohn würde zum Halbwaisen werden. Betroffene wissen, wie sich diese unbeschreibliche Angst anfühlt. Es war schrecklich.
Der 17. Juli 2020 spaltete mein Leben in zwei Hälften. Bis heute unterscheide ich immer in ›das Leben vor und das nach der Diagnose‹, wenn ich Fotos ansehe und in Erinnerungen schwelge. Die Biologie meines Tumors war fies, sehr aggressiv, bereits 2,3 cm groß – er war während der Untätigkeit meines Gynäkologen um das Doppelte gewachsen – mit befallenen Lymphknoten in der Achsel. Die Ärztin drängte darauf, so schnell wie möglich zu handeln. Wir hatten die zwei Tage des Wochenendes Bedenkzeit und sollten aus zwei Optionen wählen:
Wir holten uns noch anderen ärztlichen Rat ein und alle, inklusive unserer eigenen Intuition, sprachen sich für Variante Zwei aus. Das Baby war zu diesem Zeitpunkt organisch voll entwickelt und das Risiko, durch die Chemotherapie geschädigt zu werden, war laut vorhandenen Studien sehr, sehr gering. Das Risiko mit der Kaiserschnitt-OP für das Frühchen, und auch für mich selbst, durch den damit verzögerten Therapiebeginn hingegen, wurde als deutlich höher eingeschätzt.
In der Woche nach der Diagnose durchlief ich binnen drei Tagen alle Untersuchungen, die schwanger möglich waren. Es war ein unglaublich kräftezehrender Marathon. Am 23. Juli 2020 – nur sechs Tage nach der Diagnose – startete meine Chemotherapie. Anfangs bekam ich sie durch die Armvenen, bis nach der Entbindung ein Port gelegt wurde. In der 38. Schwangerschaftswoche wurde eingeleitet. Dank Pandemie verbrachte ich drei sehr einsame Tage voller Ungewissheit, Sorgen und Sehnsucht nach meiner Familie im Krankenhaus. Zum Glück konnte der zukünftige Papa dann während der Geburt dabei sein. Am 26. August 2020 erblickte unser kleines Löwenherz das Licht der Welt. Zwar war er mit 47 cm und 2730 g etwas zart, aber er war völlig gesund!
Ich benötigte nach der Entbindung zwei Bluttransfusionen und war sehr schwach, kämpfte mich aber schnell zurück, um möglichst zeitnah weitermachen zu können. Nichtmal zwei Wochen nach der Entbindung ging die Chemo weiter und alle noch ausstehenden Untersuchungen wurden nachgeholt. Leider bedeutete das alles für mich weder Wochenbett noch Stillen und wir mussten viele, viele Abstriche machen. Aber die Chemo sollte erfolgreich sein und das war, was jetzt zählte. Im Dezember endete sie. Im Januar folgte die OP – mit dem Ergebnis der pathologischen Komplettremission. Februar und März gehörten der Strahlentherapie. Es gibt so viele traumatische Erlebnisse und Erinnerungen an diese Zeit, das alles würde hier den Rahmen sprengen. Sie war hart, verdammt hart.
Und doch stecken in ihr auch viele Wunder. Meine Kinder, gesund und zauberhaft. Ich, nun schon drei Jahre krebsfrei. Wir, als Familie, so stark und Kraft spendend. Wenn ich eines sagen kann, dann dass die Liebe mich getragen hat. Und wo Liebe ist, da ist alles möglich. Ich bin unendlich dankbar für diese Liebe und dass ich sie leben darf.«