Maike

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Maike erzählt, wie sie vor einigen Monaten die Diagnose Lymphdrüsenkrebs erhalten hat. Der anschließende Besuch beim Kinderwunschzentrum zur Entnahme und Einfrieren von Eizellen forderten sie schon extrem heraus. Sie berichtet außerdem über die schwere Zeit zu Beginn der Chemotherapie und wie sie trotz der zehrenden Zeit Kraft gewonnen hat. Mit vielen Plänen möchte sie demnächst ihren Geburtstag und die Krebsfreiheit feiern.

»Ich bin Maike, 22 Jahre alt und erhielt im Mai 2022 die Diagnose Hodgkin-Lymphom, Stadium 2A. Ich hatte davor schon ein paar Wochen lang einen geschwollenen Lymphknoten über dem rechten Schlüsselbein. Dieser drückte auf die Nerven, sodass ich teilweise Schmerzen und Taubheitsgefühle im rechten Arm bis runter zur Hand hatte. Sonst hatte ich allerdings keine Symptome. Kein Fieber, kein Gewichtsverlust oder Ähnliches. Deshalb kam die Diagnose ziemlich überraschend, auch wenn ich mich schon mit dem Thema auseinander gesetzt hatte. Wenn man ›geschwollene Lymphknoten‹ googelt, dann kommt man irgendwann auch auf Lymphome. Dementsprechend hat mich die Diagnose nicht ganz so sehr umgehauen wie meine Eltern und mein Umfeld.

Meine Eltern hatten große Probleme überhaupt Kinder zu bekommen und als Kind hatte ich auch noch eine Hüftschiefstellung, sodass nicht klar war, ob ich jemals laufen lernen würde. Meine Eltern haben also schon einiges durchgemacht und, dass eine ihrer Töchter nun Krebs hat, war natürlich schwer zu verkraften. Trotzdem haben sie all ihre Kräfte gesammelt und mich so sehr unterstützt wie man es sich nur wünschen kann.

Einen Tag nach der Diagnose ging es für mich ins Kinderwunschzentrum Potsdam. Dort erfuhr ich (am Freitag den 13. wohlgemerkt), dass nicht viele Frauen nach einer Chemotherapie ihren normalen Zyklus zurück erlangen und auf natürlichem Weg Kinder bekommen können. Zum zweiten Mal brach meine Welt zusammen, denn ich möchte wirklich gern eine eigene Familie gründen. Deshalb ließ ich Eizellen einfrieren. Der Weg dorthin war gar nicht so einfach, denn ich musste mir selbst Hormonspritzen geben und hatte mehrere Tage lang starke Unterleibschmerzen, vor allem nach der Eizellenentnahme. Zum Glück war in dieser Zeit mein Freund für mich da, versorgte mich mit Kirschkernkissen und Schokolade. Und zum Glück hat alles gut geklappt und es konnten 19 Eizellen eingefroren werden.

Zum Planungsgespräch für die Therapie begleiteten mich meine Eltern. Gemeinsam mit meinem Onkologen entschied ich mich dazu, die ersten zwei Zyklen Chemotherapie nach dem BEACOPP-Schema (Kombinationstherapie mit sieben Medikamenten) stationär im Waldkrankenhaus Spandau anzutreten und die letzten beiden Zyklen nach dem ABVD-Schema (Kombination von vier verschiedenen Chemotherapeutika) ambulant in Potsdam zu machen. Nach diesen vier Zyklen soll ein PET-CT entscheiden, ob ich noch bestrahlt werden muss oder nicht.

Der erste Zyklus war deutlich schlimmer als ich es mir vorgestellt hatte. Nach der Port-Operation und drei Tagen Chemotherapie im Krankenhaus konnte ich zwar planmäßig entlassen werden, hatte dann aber zu Hause mit Nebenwirkungen zu kämpfen. An Tag neun musste ich mich pausenlos übergeben und hatte Durchfall, sodass meine Eltern den Rettungswagen rufen mussten. Nachdem ich dem Sanitäter auf die Füße gekotzt hatte, bekam ich direkt im Rettungswagen eine Infusion gegen die Übelkeit. Nach einigen Stunden in der Rettungsstelle wurde ich erneut stationär aufgenommen und musste durch extrem niedrige Werte bei den Leukozyten auch noch in Umkehrisolation.

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Die folgenden sieben Tage mussten sich alle Besucher Kittel, Masken und Handschuhe anziehen, wenn sie in mein Zimmer wollten. Das waren die schlimmsten Tage meines Lebens, denn ich hatte ständig Bauchschmerzen, musste zum Teil künstlich ernährt werden, konnte mich nicht länger als 20 Minuten auf eine Sache konzentrieren und fühlte mich schrecklich einsam. Ich bekam eine Bluttransfusion und mehrere blutbildend Spritzen, Morphin gegen die Schmerzen und zum Glück psychologische Betreuung. Eine der Psychologinnen ließ ein Keyboard in mein Zimmer stellen, sodass ich an den Abenden Musik machen konnte. Die Krankenschwestern freuten sich über meine kleinen ›Konzerte‹ und das Singen hielt mich davon ab durchzudrehen.

In diesem Zeitraum fielen auch noch meine Haare aus, aber als eine Schwester mir dann alle abrasiert hatte, war es beinahe befreiend für mich. Als ich endlich entlassen werden konnte, hatte ich immer noch mit Bauchschmerzen zu kämpfen, da die Medikamente, die ich gegen den Durchfall bekommen hatte, nun Verstopfung verursacht hatten. Ich musste also einen Tag nach meiner Entlassung direkt wieder ins Krankenhaus, weil ich die Schmerzen nicht aushielt. Zum Glück musste ich dann aber nur zwei Tage bleiben, in denen ich Abführmittel nahm.

Wieder zu Hause konnte ich mich langsam erholen und beschloss andere Gleichaltrige zu kontaktieren, die auch an einem Hodgkin-Lymphom erkrankt sind oder waren. Denn so allein wollte ich mich nie wieder fühlen. Über die yeswecan!cer-App (YES!APP) lernte ich unter anderem Katharina (@weltkind_kate) kennen und der Austausch mit ihr und anderen Betroffenen half mir sehr. Ich kann jedem Betroffenen und Angehörigen nur empfehlen, sich ein Netzwerk aus Personen aufzubauen, mit denen man von Anfang an offen über die Krankheit, Sorgen und Ängste sprechen kann. Außerdem muss man lernen auch Tiefs zuzulassen. Tränen, schlechte Laune und Mutlosigkeit gehören dazu und sind völlig normal. Heult euch aus! Das Lächeln kommt schon von allein zurück.

Meine weiteren Therapiezyklen sind bisher im Gegensatz zum ersten Zyklus planmäßig und recht aushaltbar verlaufen. Ich hatte immer mal Verdauungsprobleme, Schlafstörungen, Hitzewallungen, Konzentrationsstörungen und Taubheitsgefühle in den Füßen und Fingern. Insgesamt geht es mir aber mittlerweile gut. Ich befinde mich im letzten Zyklus und kurz vor der (hoffentlich) letzten Chemotherapieinfusion meines Lebens. Denn die Heilungschancen beim Hodgkin-Lymphom sind sehr gut und die Wahrscheinlichkeit für einen Rückfall gering. Ich bin körperlich natürlich nicht fit, denn viele Muskeln haben sich abgebaut. Bald geht es für mich aber in die Reha, wo ich hoffentlich durch viel Sport und Therapie wieder mehr Energie tanken kann. Anfang November erfolgt mein PET-CT und ich hoffe, dass ich zu meinem 23. Geburtstag Mitte November meine Krebsfreiheit gleich mit feiern kann. Und das gemeinsam mit meiner Schwester, meinen Eltern, dem Rest meiner Familie, meinen Freunden und meinem wunderbaren Freund, die mich alle durch diese schwere Zeit begleitet haben.

Bald möchte ich dann auch meine Bachelorarbeit im Lehramtsbereich wieder aufnehmen, die ich aufgrund der Erkrankung nicht fertigstellen konnte. In der Zwischenzeit, in der ich nicht studieren konnte, habe ich mich mit Hobbys abgelenkt. Ich bin inzwischen Expertin für gehäkelte Hüte, Socken und gehäkeltes Kinderspielzeug (für meinen kleinen Neffen). Auch online Entspannungs- und Kosmetikseminare von DKMS-LIFE oder der Brandenburgischen Krebsgesellschaft konnten mich gut ablenken und mir einiges über innere und äußere Schönheit, sowie Ausgeglichenheit beibringen. Für solche Angebote bin ich sehr dankbar.

Überhaupt hatte ich mit meiner Gesamtsituation großes Glück. Vor 20 Jahren noch, wäre ich an dieser Krankheit vielleicht gestorben. Heute aber konnte ich durch die tolle Arbeit meiner Ärzt:innen und Pflegekräfte, durch ehrenamtliche HelferInnen und den Kontakt zu anderen Betroffenen via Social Media extrem viel Hilfe bekommen und dafür bin ich sehr dankbar.«

Maike hat keine Haare auf dem Kopf, trägt eine Brille mit einem hellen, transparenten Rahmen und einen grünen Top. Diese Person schaut lächelnd in die Kamera, während diese ihren Kopf an auf ihren Händen abstützt.
Name
Maike
Instagram
@magnolienmai
Website
Interviewt von
Erzählt am
25.10.2022
Verstorben am

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