»Ich bin Tatjana, 34 Jahre alt und kam 2016 von Serbien nach Deutschland. Ich habe als Krankenschwester gearbeitet und meinen Job immer gern gemacht, sodass mir auch Überstunden nie etwas ausgemacht haben. Ich bin ein Mensch, dem eine Sache nie genug ist, ich möchte mich immer weiterentwickeln. So habe ich die deutsche Sprache gelernt und eine Weiterbildung zur Ernährungsberaterin gemacht, um später Menschen helfen zu können.
Meine Diagnosestellung hat sehr lange gedauert. Schon ein Jahr lang hatte ich immer wieder Schmerzen im Oberbauch, habe zugenommen und Dehnungsstreifen am Bauch entwickelt. Mein Hausarzt hat mich immer wieder mit einer Nierenbeckenentzündung diagnostiziert und mir ein Antibiotikum verschrieben, welches nur kurzzeitig half. Erst als ich den Hausarzt meines Freundes aufsuchte, wurde ich sofort mit Verdacht auf Nierensteine ins Krankenhaus geschickt. Dort wollte die Ärztin mich wieder mit der Diagnose Nierenbeckenentzündung entlassen. Ich bat sie ausdrücklich darum ein CT durchzuführen. Gegen ihren Willen veranlasste sie ein CT und dabei wurde eine große Raumforderung im rechten Nieren-Leber-Bereich festgestellt.
Ich machte mir große Sorgen und wusste nicht, wie ich es meiner Mutter sagen sollte. Sie war erst kürzlich zu Besuch in Deutschland. Sollte ich es ihr am Telefon sagen? Ich bin ihr einziges Kind. Meinen Vater, also ihren Mann, hatte sie leider auch schon verloren.
Dennoch hatte ich Glück im Unglück. Eine Bekannte des Hausarztes von meinem Freund war Endokrinologin und konnte mich schon zwei Tage später untersuchen. Sie gab mir einen Termin für eine Operation, die schon zehn Tage danach stattfinden sollte. Das ganze Ausmaß meiner Erkrankung konnte erst während der Operation festgestellt werden – ich hatte bereits Metastasen in den Lymphknoten und im Zwerchfell. Der Haupttumor war 12cm groß und 300g schwer. Aufgewacht bin ich auf der Intensivstation und musste dort auch zur Beobachtung bleiben. Ich hatte große Schmerzen, wollte aber möglichst schnell wieder allein aus dem Bett aufstehen und laufen können. Aufgeben war keine Option.
Nach der Operation erhielt ich den pathologischen Befund: ›Nebennierenrindenkarzinom‹. Eine sehr seltene Tumorerkrankung. Ich kam mir vor wie in einem schlechten Film. Ich wurde von einem Arzt zum nächsten geschickt, da sich die einzigen Zytostatika, die für meine Erkrankung zugelassen waren, negativ auf meine Leberwerte auswirkten. Inzwischen habe ich einige sehr nette Ärzt:innen an meiner Seite, die alles geben, um mein Leben zu retten.
Nach meiner Diagnose hatte ich leider nicht die Zeit um Eizellen einfrieren zu lassen. Es sollte direkt mit einer intravenösen Chemotherapie losgehen. Meine Ärztin sagte mir, dass nach der Therapie die Wahrscheinlichkeit auf eine Schwangerschaft nur bei 30% läge. Vielleicht würde ich die Chemotherapie sogar bis zum Ende meines Lebens brauchen. Das war ein großer Schock für mich, da mein Partner und ich immer eine kleine Familie gründen wollten. Ein Traum, welchen ich leider zu träumen aufhören musste.
Außerdem war ich gezwungen die Entscheidung, sofort mit der Chemotherapie zu starten, ohne meinen Partner zu treffen, da es durch die Corona-Pandemie anders nicht möglich war. Ich bin somit das Risiko eingegangen, ihn auch noch zu verlieren. Aber er bewies mir damals wie heute seine Liebe, indem er an meiner Seite blieb. Auch heute unterstützt er mich mit ganzer Kraft.
Mittlerweile bin ich seit fast zwei Jahren in chemotherapeutischer Behandlung. Zuerst habe ich eine EDP-Chemotherapie erhalten. Diese habe ich alle drei Wochen bekommen. Ich hatte viele Nebenwirkungen: Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Schwächegefühl und Polyneuropathie. Unter der Polyneuropathie leide ich auch heute noch. Durch die vielen Nebenwirkungen, musste die Dosis der Chemotherapie immer weiter reduziert werden. Schließlich entschieden die Ärzt:innen, dass es an der Zeit war, eine andere Chemotherapie auszuprobieren. Wir mussten die Zusammensetzung der Wirkstoffe zweimal umstellen. Leider hat die Chemotherapie aber nach den Umstellungen bei mir nicht mehr angeschlagen.
In dieser Zeit wurde ich außerdem 30 Tage lang bestrahlt. Geplant waren 35 Tage, aber durch eine Wirbelsäulenfraktur konnten die letzten 5 Tage nicht durchgeführt werden. Die Bestrahlung habe ich gut vertragen – keine Übelkeit. Ich musste nur nach den Terminen immer ein bisschen schlafen. Zusätzlich bekomme ich Lysodren in Tablettenform. Mittlerweile hat mein Körper sich an das Medikament gewöhnt.
Die Wirbelsäulenfraktur habe ich mir durch einen Sturz zugezogen, denn ich verliere manchmal das Gefühl in den Beinen. Dadurch bin ich schon häufiger hingefallen und habe mir Prellungen oder einen Bänderriss zugezogen. In der Neurochirurgie ist aufgefallen, dass ich einen sehr unsicheren Gang habe. Deshalb nutze ich für längere Strecken nun einen Rollstuhl. Aufgrund meiner Wirbelsäulenfraktur bekomme ich Zometa, ein Medikament, welches die Knochendichte steigern soll. Dieses Medikament verursacht Kieferschmerzen und erkältungsähnliche Symptome. Zum Glück lassen diese aber nach 24 bis 48 Stunden nach.
Ich werde unterstützt von einem Palliativteam, Schmerzteam und einer Psychologin. Zu meiner täglichen Therapie gehören Morphin, Oxycodon und Schlaftabletten, da ich durch starke Schmerzen häufig Schlafprobleme habe.
Bei der letzten Kontrolluntersuchung wurden einige Lungenmetastasen gefunden, die, da es so viele sind, nicht operativ entfernt werden können. In meinem Kopf ging der schlechte Film also immer weiter. Aber ich möchte noch so viel erleben! Und ich möchte Gott für jeden Tag und jeden wundervollen Menschen, der mich begleitet, danken.
Ich hatte in dieser schweren Zeit glücklicherweise immer meine kleine Familie hinter mir. Mein Partner und meine Mutter unterstützen mich sehr intensiv und helfen mir auch in dieser schwierigen Zeit ein glücklicher Mensch zu bleiben. Sie sind die einzigen Personen, die immer wissen, wie ich mich fühle und die sehen, welche Dinge mir schwerfallen. Es ist für mich sehr frustrierend, dass ich nicht mehr arbeiten kann, mich oft kraftlos fühle und dass ich teilweise auf den Rollstuhl und auf Hilfe angewiesen bin. Vor der Diagnose war ich diejenige, die Hilfe angeboten hat. Ich muss mich nun damit arrangieren, dass die Rollen sich vertauscht haben.
Durch die Hilfe des medizinischen, therapeutischen und pflegerischen Teams und durch die Unterstützung meiner Familie, konnte ich meine Trauer und Wut in Hoffnung und Mut umwandeln. So kann ich weiterhin positiv und mit Freude in die Zukunft blicken.
DANKE dafür von ganzem Herzen!
Ich habe euch alle lieb.«