»Hallo, ich bin Vesna, 37 Jahre alt, verheiratet und Mama eines 8-jährigen Sohnes. Der 28. Januar 2016 hat meine Welt, mein Denken, mein Leben und mich fast zerstört: Nicht-kleinzelliges Adenokarzinom der Lunge mit Lymphangiosis Carcinomatosa (eine Form der Lungen-Metastasierung) und Verdacht auf Pleurakarzinose (Tumorbefall des Rippenfells).
Eine Diagnose, die mich zu Boden hat fallen lassen. Und das meine ich wortwörtlich. Mein Gedanke: ›Bis Ostern haste noch und dann war’s das.‹ Zurück lässt du deinen Mann, deinen gerade dreijährigen Sohn, Familie, Freunde.
Tage später nach weiterer Diagnostik die brutale Wahrheit: Maligne Zellen im Pleuraerguss (eine Ansammlung von Flüssigkeit zwischen innerer Wand des Brustkorbs und Lunge). Operation unmöglich. Bäm. Naja, Ostern ist ja noch nicht.
Eine Video-assistierte Thorakoskopie zur Entnahme von Gewebeproben an der Lunge erfolgte. Das Ergebnis: Anlage einer Dauerdrainage, um den Erguss abzulassen. All das ohne Vorwarnung. Da lag ich nun. Mit einem Schlauch, der zwischen meinen Rippen hervorlugte.
Es folgte die Entlassung und das Warten auf die molekular pathologischen Ergebnisse. Die Drainage musste ich jetzt selber an den Sekretbeutel anschließen. Keine Hilfestellung, nichts. Einfach nichts. Ich war mir selbst überlassen. Scham, Ekel, Angst, Überforderung, Hilflosigkeit. Doch letztendlich lernte ich auch, damit zu leben und zurechtzukommen. Nach einiger Zeit lagen die weiteren Ergebnisse vor: Keine Mutation gefunden, also begannen wir mit der Chemotherapie.
Meine Gedanken kreisten: ›Ich will dich nicht. Ich will das alles nicht. Verschwinde aus mir, aus meinem Körper, aus meinen Zellen. Ich hasse dich. Doch du bleibst. Und da du ungebeten einfach bleibst, stelle ich mich dir in den Weg.‹
Die Chemotherapie wurde irgendwann zur Qual. Die Venen machten nicht mehr mit. Port? Darüber wurde kein Wort verloren.
Erst nach mehr als sechs Monaten, als auch allen anderen klar wurde, dass meine Venen am Ende sind, wurde mir endlich ein Port gelegt. Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits mit einer Tumorprogression zu kämpfen. Therapieoptionen? Keine.
Eine im Sommer in Eigenregie veranlasste Mutationsanalyse gab einen entscheidenden Impuls. Eine Unterform der MET Mutation, die sogenannte KIF5B MET Fusion, wird entdeckt. Meine Rettung. Denn nun konnte mir eine zielgerichtete Therapie mit Crizotinib angeboten werden. Beginn der Therapie: Januar 2017. Zwei wertvolle Jahre schenkte mir das Medikament, bis es wieder zu einer Tumorprogression kommt.
2019 erneute Probenentnahme, neues Mittel: der Nachfolger. Ein sogenanntes ›Dirty Drug‹. Hilft viel, aber die Liste der Nebenwirkungen scheint endlos. Erste Fragen türmen sich auf: Lebensqualität oder Lebensdauer? Was will ich?
So langsam arrangierte ich mich mit der Therapie. Sie warf mich immer wieder zurück und verlangte nach wie vor sehr viel von mir ab. Doch wie der Phönix aus der Asche, erhob ich mich täglich aufs Neue. So lange wie es mir irgendwie möglich war, lebte ich meine unbändige Lebenslust und meinen Lebenswillen aus.
Mein Ziel, die Einschulung meines Sohnes im Sommer 2019 mitzuerleben, rückte immer näher. Und ja, ich war dabei! Ein unfassbar emotionaler Tag für mich. Der Grossteil der wichtigsten Personen in meinem bzw. unserem Leben war bei diesem Meilenstein dabei. Ich war unendlich glücklich. Nächstes Ziel: Schulwechsel.
Doch ab Ende 2019 zeichnete sich eine weitere Tumorprogression ab. Waren all die schlechten Tage umsonst? Irgendwie ging es erstmal weiter. Therapieanpassung, dann wieder Änderung, engmaschigere Kontrollen und der Versuch den Zustand halbwegs stabil zu halten. Und dann kam zu allem Überfluss noch Corona um die Ecke. Den ersten Lockdown hatte ich sehr genossen, da er mir so viel Zeit mit meinem Sohn bescherte. Und ich genieße es noch immer. Doch mit Corona und dem Fortschreiten meiner Erkrankung stoße auch ich an meine Grenzen.
Aktuell beschreibt man meine Behandlung mit Treatment beyond progression.
Die Therapieempfehlung lautet ›Umstellung auf einen neuen MET Inhibitor‹. Ein Medikament, welches bisher nur in den USA und in der Schweiz zugelassen ist. Nun liegt die ganze Hoffnung darin, eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse hierfür zu erwirken. Bisher gibt es keine positive Antwort, so dass es spannend bleibt, wie es weitergeht. Für Hilfe, Ratschläge, weitere Tipps bin ich dankbar.
Aufgeben ist keine Option. Und solange das Feuer fürs Leben in mir brennt, werde ich weiter machen. Für mich. Für meinen Sohn und meine Familie.
Und wenn eine Tür sich schließt, öffnet sich manchmal eine andere … in meinem Fall ein großes Wunder. Eine Therapie wurde mir nicht ermöglicht, jedoch hat sich die Uniklinik Köln für eine Alternative eingesetzt: ein individueller Heilversuch. Eine Chance von 50 %. Keine Studie oder Daten für Fälle wie meinen vorhanden. Doch ein wenig Hoffnung bleibt. Die Therapie habe ich inzwischen begonnen und die nächsten Untersuchungen und Verlaufskontrollen stehen an. Die nächste Zeit wird nervenaufreibend, sorgenvoll und doch dreht mein Leben sich weiter. Zugleich bin ich glücklich über die Therapieoption, voller Hoffnung und dennoch bleibt die Angst. Ein Drahtseilakt, die Balance bei diesen völlig unterschiedlichen Gefühlslagen zu halten. Doch auch dem werde ich mich stellen und mich auffangen lassen, wenn es scheinbar keinen Halt mehr gibt.«